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Die Waldgrenze am Brocken ist natürlichen Ursprungs

Einzigartig im Norden Mitteleuropas

Fast jeder kennt sie – die kahle Brockenkuppe. Lange waren sich die Wissenschaftler nicht einig – ist es eine natürliche Waldgrenze oder ist sie durch menschliche Einflüsse entstanden? Nach neuesten Forschungsergebnissen der Universität Göttingen steht nun fest: Die Waldgrenze am Brocken ist klimatisch bedingt. Sie stellt damit die nördlichste natürliche höhenklimatische Waldgrenze in Zentraleuropa dar und ist dementsprechend wertvoll für den regionalen und internationalen Naturschutz. Dem Nationalpark Harz erwächst daraus die Aufgabe, diesen besonderen Waldstandort trotz touristischer Aktivitäten auf der Brockenkuppe konsequent zu schützen und den Fortbestand zu gewährleisten.

Schon früh beschrieben

Schon in einem der frühesten schriftlichen Berichte einer Brockenbesteigung über den Besuch des Fürsten Friedrich von Anhalt-Bernburg 1649 wird der Brockengipfel als unbewaldet geschildert. Auch der bekannte Kupferstich von L. S.  Bestehorn von 1732 zeigt den baumlosen Brockengipfel.

Nun sind dies aber noch keine Beweise dafür, dass die Waldgrenze am Brocken natürlich ist und nicht durch menschliches Einwirken verursacht wurde. Schließlich weist eine ganze Reihe von Mittelgebirgen nördlich der Alpen seit langem waldfreie Gipfel auf. Die Ursache dafür ist jedoch meist im menschlichen Einfluss zu suchen, wie das z.B. bei den waldfreien Gipfeln des Schwarzwaldes der Fall ist. Sie stellen also keine „alpinen“ Waldgrenzen im eigentlichen Sinne dar. Und die so kleine räumliche Entfernung der Waldgrenze zum Brockengipfel mag Zweifel daran schüren, dass es sich hier um eine klimatisch bedingte Wuchsgrenze der Bäume handelt.

So war die Frage nach der Ursache der Waldgrenze am Brocken über viele Jahrzehnte immer wieder Gegenstand kontroverser Debatten.

Suche nach Indikatoren

Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts beschäftigten sich Göttinger Forstwissenschaftler mit dieser Frage, kamen aber zu keinem klaren Ergebnis. Die Natürlichkeit von Waldgrenzen ist nicht allein am Brocken ein schwieriges Thema. Sie stellt die Wissenschaftler an allen Orten der Erde, an denen es eine „obere“ Verbreitungsgrenze des Waldes gibt, vor das gleiche Problem – von den niedrigen nordskandinavischen Bergen über die Mittelgebirge und die Alpen in Zentraleuropa bis hin zu den Hochgebirgen wie Anden und Himalaya.

Interessanterweise unterscheiden sich in diesen Bergregionen zwar die absoluten Meereshöhen der alpinen Waldgrenze, jedoch kaum die Temperaturverhältnisse, unter denen die Bäume dort wachsen. Das hat etwas mit dem unterschiedlichen jahreszeitlichen Sonnenstand und den damit verbundenen Unterschieden der Strahlungsenergie zu tun. Denn das Baumwachstum ist in erster Linie vom Energiegewinn aus der Sonnenstrahlung durch die Photosynthese der Blätter bzw. der Nadeln abhängig, und das Zellwachstum zur Bildung von Holzgewebe erfordert ein Mindestmaß an Wärme.

Während die „Vegetationszeit“ im hohen Norden oder Süden der Erdkugel kurz ist und die Waldgrenzen deshalb in niedrigen Meereshöhen liegen, umfasst die Vegetationszeit in den Tropen/Subtropen nahezu das ganze Jahr und die alpinen Waldgrenzen liegen dort erst in großer Meereshöhe. Darum haben Pflanzengeographen schon früh versucht, Indikatoren für das Temperaturregime an verschiedenen alpinen Waldgrenzen zu suchen.

Zusammenhang mit Bodentemperatur

Ein wichtiger Fortschritt wurde in jüngerer Zeit erreicht, als der Pflanzenökologe Prof. Christian Körner von der Universität Basel begann, systematisch Klimadaten an verschiedenen alpinen Waldgrenzen der ganzen Erde auszuwerten.

Dabei zeigte sich, dass die Klimabedingungen an der alpinen Waldgrenze weltweit besonders gut durch das Temperaturregime im Boden während der Vegetationszeit charakterisiert werden können. Die alpinen Waldgrenzen sind in Meereshöhen zu finden, wo die Durchschnittstemperatur in 10 cm Bodentiefe während der Vegetationszeit 6,7 °C beträgt.

Insgesamt gesehen ist die Übereinstimmung zwischen der jeweiligen Meereshöhenposition der Waldgrenzen und diesem Indikatorwert der Bodentemperaturen trotz regionaler Abweichungen erstaunlich gut.

Untersuchungen im Harz

In den vergangenen Jahren wurden Untersuchungen zu den Klimabedingungen am Brocken und der Reaktion der Fichten auf klimatische Unterschiede in Wäldern entlang eines Meereshöhengradienten zwischen Ilsenburg in 390 m Meereshöhe und der Waldgrenze am Brockengipfel in 1100 m Höhe durchgeführt.

Die Messungen zeigen, dass die Veränderungen des Baumwuchses der Fichten, z.B. die augenfällige Abnahme der Baumhöhe, maßgeblich von der deutlichen Abnahme der Luft- und Bodentemperaturen mit zunehmender Meereshöhe beeinflusst werden.

Bestimmt man in Anlehnung an die Untersuchungen von Prof. Körner die Durchschnittstemperatur in 10 cm Bodentiefe für die Vegetationszeit an der Waldgrenze am Brocken, erhält man einen Mittelwert von 6,7 °C – genau den Wert, der auch im globalen Vergleich gefunden wurde.

 

Fazit: die Waldgrenze am Brocken ist natürlich!

Damit steht fest, dass die Waldgrenze am Brocken als klimatisch bedingt und somit als natürlich anzusehen ist. Sie ist damit die nördlichste natürliche höhenklimatische Waldgrenze in Zentraleuropa und muss deshalb als besonders wertvoll angesehen werden. 

Dieser jüngste wissenschaftliche Befund zeigt neben vielen anderen Besonderheiten die Einzigartigkeit des Brockens, die uns allen die Verpflichtung auferlegt, mit der Natur auf dem Brocken sorgsam umzugehen.

Diese besonderen Waldstandorte müssen darum wie schon in der Vergangenheit trotz touristischer Attraktivität der Brockenkuppe konsequent durch den Nationalpark Harz geschützt werden, um den Fortbestand zu gewährleisten.

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